Weniger Plastik braucht die Welt – aber wie?

 

Mit steigender Relevanz der Umweltbelastung durch Plastikmüll, wächst also auch die Anzahl der Initiativen und mit ihnen die verschiedenen Lösungsansätze. Dennoch lassen sich zentrale Konzepte und Herangehensweisen herauskristallisieren. So fasst eine Studie der Röchling-Stiftung insgesamt sieben Ansätze zusammen.

Etablierung geschlossener Stoffkreisläufe und einer möglichst vollständigen Kreislaufwirtschaft

Die Grundidee der Kreislaufwirtschaft beschränkt sich nicht nur auf fachgerechtes Recycling. Der Ansatz ist vielmehr von Anfang an auf nachwachsende Rohstoffe zu setzen und Werkstoffe mit langer Funktionsdauer zu entwickeln, die sich auch reparieren lassen. Der maßgebende Leitgedanke lautet hier „geplante Langlebigkeit“. Nach Ende des Produktlebenszyklus‘ kommt natürlich auch der Wiederverwertung große Bedeutung zu. Auch Sharing-Programme und Inzahlungnahme sind Teil dieses Konzepts. Für Produkte, die heute schon diesen Standard nachweisen gibt es zum Beispiel die Cradle-to-Cradle-Zertifizierung.

Vermeidung und Reduzierung von (kurzlebigen) Kunststoffprodukten

Es wäre falsch, den Schwarzen Peter allein der Industrie in die Schuhe zu schieben. Ebenso ändern auch die besten Verwertungsanlagen und höchsten Recyclingquoten nichts am Entstehungsproblem. Für viele lautet die Lösung des Problems deshalb: Vermeidung von Müll.Hierzu braucht es einen grundlegenden Bewusstseinswandel. Millionen Menschen hierzulande haben sich einen Konsum angewöhnt, der die ökologische Folgen komplett ausblendet. Der Coffee to go, die kleine Wasserflasche für Zwischendurch, der in Plastik eingeschweißte Käse – alles so schön bequem.

Innovationen im Bereich der Verbesserung von Umwelteigenschaften von Kunststoffen und alternativen Materialien

Leider weist der Verzicht auf Kunststoffe und der Ersatz durch Glas, Aluminium oder Papier nicht immer die bessere Ökobilanz aus. Auch deshalb setzen viele Akteure auf die Verbesserung der Kunststoffe an sich. In erster Linie heißt das sortenreiner, weniger Additive und eine längere Funktionsdauer durch höhere Beständigkeit zu erzielen. Des Weiteren setzen die Anhänger dieses Konzepts auf biobasierte und bioabbaubare Kunststoffprodukte. 

Zu letzterer Fraktion gehören zum Beispiel Plastiktüten aus Getreide-, Mais- oder Kartoffelstärke. Sie sind allerdings nur industriell unter Zuführung großer Hitze kompostierbar. Geforscht wird auch daran, verschmutzte oder Verbund-Kunststoffe in den Kreislauf mit einzubinden. Anstatt sie zu verbrennen oder in anderen Ländern zu entsorgen, soll aus ihnen neuer Kunststoff entstehen. Zurzeit ist der technische und energetische Aufwand jedoch zu hoch und der Prozess somit ineffizient. Vielversprechender erscheinen ein vollständig kompostierbares Verpackungsmaterial aus Holzfasern, pflanzlichen Abfällen und landwirtschaftlichen Nebenprodukten sowie eines auf Algenbasis.

Verlängerte Nutzungsdauer von Kunststoffprodukten

Bei 74 Prozent der Kunststoffemissionen in Deutschland handelt es sich um Mikroplastik. Sie resultieren aus der Nutzung der Produkte, zum Beispiel durch Abrieb und Verwitterung. Mikroplastik kann im Folgenden zu Nanoplastik fragmentieren, von Pflanzen über ihre Wurzeln aufgenommen und so letzten Endes in unsere Agrarprodukte gelangen oder direkt von den Menschen eingeatmet werden. Viele Organisationen unterstützen deshalb die Forschung auf dem Gebiet der längeren Lebensdauer der Produkte – insbesondere ohne Einsatz von Additiven. Auch gilt es die Elektroindustrie hier mit einzubinden, deren Geräte durchaus beabsichtigt nach einer gewissen Zeitspanne kaputtgehen. Bei Computern können Software-Updates Auch der Verbraucher ist gefragt: Es muss nicht alle ein bis zwei Jahre das neueste oder schickere Handy-Modell sein, obwohl das alte noch voll funktionsfähig ist. 

Verbesserte Abfallwirtschaftssysteme vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern

Zahlreiche Organisationen wie zum Beispiel die Ocean Conservancy glauben, dass angesichts der akuten Krise die größte und schnellste Wirkung mit der Einführung von Abfallmanagementsystemen in den Verursacherländern Südostasiens erzielt werden kann. Auch die Weltbank unterstützt solche Projekte. Für eine professionelle Umsetzung ist aber die aktive Mitwirkung der Bevölkerung unabdingbar.

Erhöhung der Recyclingquoten

Die jährliche Recyclingquote liegt weltweit derzeit bei ca. 14 Prozent. Ganze 72 Prozent der Kunststoffabfälle landet auf legalen oder illegalen Deponien, 14 Prozent werden verbrannt. Das aktuelle Maßnahmenpaket der EU sieht vor, dass Kunststoffverpackungen bis 2030 rezyklierbar sein müssen beziehungsweise wiederverwendet werden können. Auch die Bundesregierung hat mit dem neuen Verpackungsgesetz vom 1. Januar 2019 die Weichen zur Erhöhung der Recyclingquoten gestellt. Kritiker bemängeln jedoch, dass viele Kunststoffprodukte die hohen Anforderungen für die Wiederverwertung nicht erfüllen. Die kunststoffverarbeitende Industrie kann aber nur hochwertige Rezyklate zur Erstellung neuer Materialien verwenden. Es bedarf daher sortenreinerer Ausgangsprodukte, einer sachgemäßeren Mülltrennung, einheitlicherer Qualitätsstandards und besserer Aufbereitungsanlagen.

Cleanup - Maßnahmen

Cleanup-Maßnahmen sind nicht als Teil einer systematischen Lösung anzusehen, da sie in der Regel nur korrektiv und kurzfristig wirken. Sie beseitigen also nicht das Problem, machen es aber sichtbar. Die zahlreichen Aktionen wie unter anderem der „International Coastal Cleanup“, an dem die Zivilgesellschaft aufgerufen ist, Müll an Küsten und Stränden aufzusammeln, dienen in erster Linie dazu, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und hierdurch Druck auf Politik und Wirtschaft zu erzeugen. Gleichzeitig sind sie ein wichtiges Mittel der Datenerfassung. Denn die eingesammelten Objekte (übrigens nicht nur die aus Kunststoff) werden allesamt verzeichnet. So geben Veränderungen in Art und Menge des Aufkommens auch Aufschlüsse über das Konsumverhalten und die tatsächliche Wirkung von Umweltschutzmaßnahmen. Flankiert werden sollten diese und andere Aktionen und Projekte auch durch gezielte Bildungsprogramme mit dem Ziel der Aufklärung und Verhaltensänderung.

Zivilgesellschaft – Viele Wege führen nach Rom

Im zivilgesellschaftlichen Bereich ist es vor allem Nichtregierungs-Organisationen (NGOs) sowie gemeinnützigen Stiftungen zu verdanken, dass das Problem „Plastikmüll“ einer breiten Öffentlichkeit zumindest in den Westlichen Nationen bewusst ist. Neben Aufklärungskampagnen und Küstensäuberungs- sowie anderen Freiwilligenaktionen (z.B. Plastic Bag Free Day) initiieren und organisieren sie vor allem auch Bildungs- und Aufklärungsprogramme, die den nachhaltigen Umgang mit Kunststoffen aufzeigen. Diese richten sich verstärkt an junge Menschen, werden aber auch in der Erwachsenenbildung vorangetrieben.

Der Verbraucher ist allerdings nur eine Zielgruppe. Gleichzeitig üben viele NGO, auch über die Mobilisierung von Menschen, Druck auf Politik und Wirtschaft aus. Ziel ist es einerseits gesetzliche Verbote gewisser Materialien und Produkte zu erwirken, andererseits aber auch die Industrie selbst zum Verzicht auf bestimmte Produktkomponenten oder Additive zu bewegen. Wiederum andere NGOs wie Zero Waste setzen eher auf eine kooperative Zusammenarbeit mit Regierungen und Unternehmen der Konsumgüterindustrie. Zum gegenseitigen Austausch aber auch zur Finanzierung der Projekte wurden deshalb Netzwerke gegründet. Dies ist vor allem aus der Erkenntnis gewachsen, dass zur Reduktion der Kunststoffabfälle ein systemischer Wandel erforderlich ist. Für diesen müssen alle Akteure, sei es Politik, Wirtschaft oder Zivilgesellschaft, an einem Strang ziehen. Auf diesen kooperativen Weg setzen auch viele Umweltstiftungen, wie die Ellen MacArthur Foundation mit ihrer „New Plastics Economy“-Initiative. 

Ansätze und Methodik der beiden Protagonisten ähneln sich (Datengewinnung durch Grundlagenforschung, Erstellung und Verbreitung von Studien, Problembewusstseinsbildung, Bevölkerungsmobilisierung durch Aktionen und Kampagnen, Bildungsprojekte, Förderung von Forschungsprojekten, Aufbau von Netzwerken) – deshalb kommt es nicht von ungefähr, dass NGOs und Stiftungen in vielen Bereichen kollaborieren. 

Wissenschaft – Der Sache auf den Grund gehen

Forschung heißt Fortschritt. Es ist deshalb unbestritten, dass insbesondere der Wissenschaft eine bedeutende Rolle in der Bewältigung des Plastikproblems zukommt. Ihre innovativen Entwicklungen und Studien ermöglichen Veränderungen in Produktionsabläufen, Materialbeschaffenheit oder Nutzerverhalten. Aber auch hier bedarf es der Zusammenarbeit und Unterstützung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. 

In Deutschland arbeiten zum Beispiel mehr als 100 Institutionen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Praxis am riesigen Forschungsprojekt „Plastik in der Umwelt“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mit. Es ist der weltweit größte Forschungsschwerpunkt zur Wirkung von Kunststoffen auf die Natur. Ziel sind bessere Recyclingmöglichkeiten zur Erschaffung eines geschlossenen Kreislaufs. Neben der Reduzierung von Plastikmüll geht es zudem darum herauszufinden, wo überhaupt wie viel Mikroplastik entsteht und wie es in die Umwelt gelangt. Die Erforschung dieses Feldes steckt noch in den Kinderschuhen, ist aber immens wichtig.

Es ist nämlich zu befürchten, dass sich zum Beispiel durch Reifenabrieb und Kleidungsfasern bereits größere Mengen von Mikroplastik im Boden und in deutschen Gewässern befinden. Deshalb ist ein Ziel der Forschung auch das Eindringen von Mikroplastik in die Umwelt zu verringern. 

Die hier entwickelten Methoden sollen auch irgendwann in Schwellenländern zum Einsatz kommen. Denn dort wir der Konsum in den kommenden Jahren weiter steigen und mit ihm der Plastikmüll.

Wirtschaft – Ist Selbstverpflichtung genug?

Freiwillige Selbstverpflichtung – so lautet derzeit noch die Losung aus der Wirtschaft. Und dies gilt auch hauptsächlich nur für die Konsumgüterindustrie und Handelsunternehmen, die die Verpackungen recyclingfähiger oder kompostierbar machen wollen. Großkonzerne wie Coca Cola oder Danone engagieren sich in Kooperation mit NGOs und Stiftungen außerdem für Forschungsprojekte sowie Projekte in Schwellen- und Entwicklungsländern.

Initiativen von Autozulieferern, Baustoffhersteller, der Chemie- und Kautschukindustrie haben eher Seltenheitswert. Dabei ist es gerade der Abrieb bei Reifen, der für einen Großteil der Mikroplastikemissionen sorgt. Deswegen müsste gerade die Gummiindustrie stärker mit eingebunden werden. 

Insbesondere Verbände der kunststoffproduzierenden Industrie sowie der Entsorgungsindustrie regieren positiv auf die Steigerung der Recyclingquoten (Neues Verpackungsgesetz), geben aber dennoch zu bedenken, dass viele abfallwirtschaftlichen Produkte immer noch eine mangelnde Qualität besitzen. Sie setzen sich deshalb auch für einheitliche europäische Qualitätsnormen für zu recycelnde und recycelte Kunststoffprodukte ein. 

Politik – Die balancierende Kraft

Die Politik kann mit Regeln und Gesetzen Rahmenbedingen schaffen, die zur Verbesserung der Plastikmüll-Situation beitragen. Die durch das neue Verpackungsgesetz initiierte höhere Recyclingquote ist ein solches Beispiel. Parallel fördern politische Akteure Forschungsprojekte, die zu einer qualitativen Verbesserung der Werkstoffe, der Abfallwirtschafts- bzw. Recyclingsysteme oder der Kenntnislage führen. In demokratischen Ländern sind Regierungen allerdings auf die Mitwirkung aller Akteure angewiesen. Wie so häufig geht dem einen zu schnell, was dem anderen zu langsam voranschreitet. Hier gilt es den Mittelweg zu finden. 

Als erschwerendes Element kommt hinzu, dass es sich bei Plastikmüll um ein globales Problem handelt, das auch nur global gelöst werden kann. Verbote von Einwegprodukten existieren bereits auf nationaler Ebene. Zum Beispiel war Ruanda (!) 2008 das erste Land, das Plastiktüten verboten hat. Kenia und Frankreich zogen nach. Auch die EU hat in den vergangen Jahren verstärkt Vorschriften erlassen, die von den Nationalregierungen umgesetzt werden müssen. Um wirklich etwas zu bewegen, gilt es Staaten wie China mit ins Boot zu holen. Hier gilt es Anreize für ein ökologisches Umdenken zu schaffen.

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