In dieser Reihe beschäftigen wir uns mit den verschiedensten Arten der Wasserverschmutzung. Im ersten Teil geht es um ein aktuell viel diskutiertes Thema: Mikroplastik.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) antwortet darauf mit ja, aber noch nicht so schlimm. Am 14. August 2019 hat eine Gruppe Forscher, die vom Alfred-Wegner-Institut koordiniert wurden, eine Arbeit zur Mikroplastikbelastung auf ScienceAdvances veröffentlicht. Darin wird beschrieben, dass Mikroplastik auch vom Himmel fällt – als Schnee, Regen oder vom Wind getragen. Da Mikroplastik, wie der Name nahelegt, winzig ist, wird es in der Erdatmosphäre transportiert. Auch in den Trinkwasserleitungen ist es angekommen.
Teilchen von 0,1 Mikrometer bis fünf Millimeter Größe fallen unter den Begriff des Mikroplastiks. Dabei wird zwischen primärem und sekundärem Mikroplastik unterschieden. Von der Industrie zur Weiterverarbeitung hergestellte Kunststoffpellets gelten als primäres Mikroplastik. Dazu zählen unter anderem Plastikgranulat und flüssiges Plastik in der Kosmetikproduktion.
Natürlich Einwirkungen wie Sonne oder Wind sorgen für den Zerfall größerer Kunststoffteile, es entsteht sekundäres Mikroplastik. Größeres Plastik zerfällt und kehrt in seine Ursprungsform, den Plastikpelletts, zurück.
"Basierend auf den begrenzt verfügbaren Informationen scheint Mikroplastik im Trinkwasser auf dem jetzigen Niveau kein Gesundheitsrisiko darzustellen", heißt es seitens der WHO-Expertin Maria Neira. Bislang seien andere Wasserverunreinigungen von höherer Bedeutung.
Die Erkenntnisse sind mit Vorsicht zu genießen, da bis dato nur wenige Daten zu dem Mikroplastik-Problem vorliegen und die Studien am Anfang stehen. Sowohl das Vorkommen von Mikroplastik im Trinkwasser als auch die mutmaßlich entstehenden Risiken müssen laut WHO noch wesentlich genauer untersucht werden.
In Deutschland wird durch Kläranlagen ein Großteil der Plastikpartikel aus dem Leitungswasser entfernt, sodass es deutlich weniger von Mikroplastik betroffen ist als Mineralwasser. Martin Wagner von der Norwegian University of Science and Technology (NTNU) fügt hinzu: "Das Problem hierbei ist allerdings, dass sich das Mikroplastik dann im Klärschlamm befindet und wieder in die Umwelt gelangt, wenn der Klärschlamm zur Düngung in der Landwirtschaft verwendet wird."
Das Oberhausener Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik errechnete 2018 für 51 Quellen die freigesetzten Mengen in Deutschland. Die größten Übeltäter sind demnach nicht Shampoo- und Kosmetikprodukte, die „nur“ auf Platz 17 der Negativliste rangieren.
Angeführt wird die unrühmliche Tabelle von Autoreifen. Vor allem der Abrieb von PKW-Reifen verursacht über den Umweg des Niederschlagwassers fast ein Drittel der Mikroplastik-Emission. Der Reifenabrieb wird durch Regen nicht nur in die Kanalisation, sondern quasi überall hingespült.
Auf Platz sieben der Studie liegen Fußgänger und ihre Schuhsohlen. Etwa hundert Gramm Mikroplastik sollen pro Kopf und Jahr in Deutschland dadurch abgegeben werden. Als weitere Hauptquellen gelten die Entsorgung von Abfall, Fahrbahndeckenabrieb und Freisetzungen auf Baustellen.
Leise rieselt das Mikroplastik – sogar in der Arktis. Durch Schneeflocken gelangen auch in den abgelegensten Gegenden die Teilchen auf die Erdoberfläche, wie ein Forscherteam unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) in Bremerhaven herausfand.
Einer weiteren Forschung aus Australien zufolge nehmen Menschen durch Nahrung, Trinkwasser und bloßes Atmen jede Woche bis zu fünf Gramm Mikroplastik zu sich. Anders gesagt: Woche für Woche landet etwa eine Kreditkarte in unserem Körper – denn auch die wiegen circa fünf Gramm.
Der Gefahr der Verunreinigung im Trinkwasser wirken unsere Tafelwassergeräte mittels klinischer Markenfilter entgegen. Neben weiteren Faktoren wie Keimen, Bakterien, Nitraten und Schwermetallen wird auch Mikroplastik herausgefiltert. So unterscheidet sich insbesondere in Großstädten unser gefiltertes Tafelwasser von direkt aus dem Hahn getrunkenen Wasser erheblich – und das schmecken Sie.
Erschreckende Prognosen bis 2025
Die Prognosen zur global anfallenden Plastikmenge sind erschreckend. Bereits 2017 seien der WHO zufolge weltweit 348 Millionen Tonnen Plastik angefallen. Die Produktion von Fasern wurde dabei nicht einmal berücksichtigt. Zum Vergleich: 1950 summierte sich die globale Plastikproduktion auf lediglich 1,5 Millionen Tonnen.
Nach Schätzungen der WHO werden sich die aktuellen Zahlen vor dem Hintergrund des Bevölkerungswachstums und des ungebremsten Wegwerfverhaltens bis 2025 verdoppeln, bis 2050 gar verdreifachen.
Dabei handelt es sich nicht um ein vermeintliches Dritte-Welt-Problem. Allein Deutschland sorgte 2016 für 18,16 Millionen Tonnen Verpackungsmüll und ist damit Spitzenreiter im EU-Vergleich.
Quellen:
Die Zeit 22.08.2019
Mikroplastik im Trinkwasser bislang nicht gefährlich
Die Zeit 12.08.2019
Das kann dann mal weg
Advances ScienceMag 14.08.2019
White and wonderful? Microplastics prevail in snow from the Alps to the Arctic
SpiegelOnline 04.09.2019
Der größte Mikroplastik-Verursacher sind Autoreifen
BUND e.V.
Mikroplastik – kleine Gifttransporter aus dem Abflussrohr