Ludwig Roselius entwickelte daraufhin ein Verfahren, bei dem er die Bohnen mit Dampf behandelte und dann mit einem Lösungsmittel namens Benzol extrahierte. Das erste entkoffeinierte Kaffeeprodukt kam 1906 unter dem Namen Kaffee HAG auf den Markt. HAG stand für Handels-Aktien-Gesellschaft, aber auch für "hochdruck aromagebend". Das Verfahren von Roselius wurde später durch andere, sicherere und schonendere Methoden ersetzt, aber er gilt als der Pionier des entkoffeinierten Kaffees.
Roselius hatte einen persönlichen Grund, entkoffeinierten Kaffee zu erfinden. Sein Vater war an einem Herzinfarkt gestorben, den er auf seinen hohen Kaffeekonsum zurückführte. Roselius wollte daher einen Kaffee schaffen, der den Geschmack und das Aroma von normalem Kaffee hatte, aber ohne die anregende Wirkung von Koffein. Er glaubte, dass Koffein schädlich für die Gesundheit sei und zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen könne. Heute wissen wir, dass Koffein nicht für jeden schädlich ist und sogar positive Effekte haben kann, wie die Verbesserung der Konzentration, der Stimmung und der körperlichen Leistungsfähigkeit. Allerdings kann zu viel Koffein auch unerwünschte Nebenwirkungen haben, wie zum Beispiel Kopfschmerzen. Deshalb kann entkoffeinierter Kaffee eine Alternative sein.
Entkoffeinierter Kaffee hat einige gesundheitliche Vorteile, aber auch einige Nachteile. Zu den Vorteilen gehört, dass entkoffeinierter Kaffee weniger Säure enthält als normaler Kaffee, was gut für den Magen ist. Entkoffeinierter Kaffee enthält zudem immer noch einige Antioxidantien, die gegen freie Radikale wirken und die Zellen schützen können. Zu den Nachteilen gehört, dass entkoffeinierter Kaffee weniger Polyphenole enthält als normaler Kaffee, die entzündungshemmend und krebsvorbeugend wirken können.
Es gibt verschiedene Methoden, um Kaffeebohnen das Koffein zu entziehen. Die meisten basieren auf dem Prinzip, dass Koffein wasserlöslich ist und daher mit einer Flüssigkeit aus den Bohnen gelöst werden kann. Die Herausforderung besteht darin, das Koffein zu entfernen, ohne den Geschmack und das Aroma des Kaffees zu beeinträchtigen. Die gängigsten Methoden sind die folgenden:
Egal, welche Methode verwendet wird, es ist unmöglich, das Koffein vollständig aus den Bohnen zu entfernen. Laut dem deutschen Kaffeeverband darf entkoffeinierter Kaffee maximal 0,1 Prozent Koffein enthalten, was etwa 2 bis 4 Milligramm pro Tasse entspricht. Zum Vergleich: Eine Tasse normaler Kaffee enthält etwa 80 bis 100 Milligramm Koffein. Das bedeutet, dass entkoffeinierter Kaffee nicht koffeinfrei, sondern nur koffeinarm ist.
Entkoffeinierter Kaffee hat in verschiedenen Ländern und Kulturen unterschiedliche Bedeutungen und Vorlieben. In Deutschland ist entkoffeinierter Kaffee relativ beliebt, vor allem bei älteren Menschen, die ihren Koffeinkonsum einschränken wollen oder müssen. Laut einer Studie der Universität Göttingen trinken etwa 18 Prozent der deutschen Kaffeetrinker regelmäßig entkoffeinierten Kaffee, und dieser Anteil steigt mit dem Alter. Entkoffeinierter Kaffee wird in Deutschland oft als "Mildkaffee" oder "Schonkaffee" bezeichnet, was seine gesundheitlichen Vorteile betont. In anderen Ländern, wie den USA, Frankreich oder Italien, ist entkoffeinierter Kaffee weniger verbreitet und wird oft als minderwertig oder geschmacklos angesehen. Dort wird entkoffeinierter Kaffee eher als eine Notlösung für Menschen betrachtet, die aus medizinischen Gründen kein Koffein vertragen oder die abends noch eine Tasse trinken wollen, ohne ihren Schlaf zu stören. In einigen Ländern, wie der Türkei oder Griechenland, ist entkoffeinierter Kaffee praktisch unbekannt, da Kaffee dort eine starke kulturelle Bedeutung hat und als ein Symbol für Gastfreundschaft, Geselligkeit und Lebensfreude gilt. Dort wird Kaffee oft sehr stark und süß zubereitet und in kleinen Tassen serviert, die das Koffein konzentrieren. Entkoffeinierter Kaffee würde in diesen Kulturen als Widerspruch in sich selbst erscheinen.
Entkoffeinierter Kaffee ist also nicht nur etwas für ältere Menschen, sondern für alle, die Kaffee lieben, aber nicht die Wirkung von Koffein. Ob entkoffeinierter Kaffee eine kulturelle Bedeutung hat oder nicht, hängt von den Vorlieben und Gewohnheiten der jeweiligen Kaffeetrinker ab. Wichtig ist, dass entkoffeinierter Kaffee eine Möglichkeit bietet, Kaffee zu genießen, ohne auf die Gesundheit oder den Schlaf zu verzichten. Und das ist doch etwas, worüber sich jeder Kaffeeliebhaber freuen kann, oder?